Wurde Deutsch-Ossig vergessen?

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Wurde Deutsch-Ossig vergessen?

Vor etwa zwanzig Jahren glaubten alle, Deutsch-Ossig, das wird mal die Perle am See. Seit dem ging es am Berzdorfer See rundum voran. Der Pegel stieg. Hafen, Bootsplätze, Badestrände, sonstige Freizeiteinrichtungen und ein tolles Wellness-Hotel blühten auf. Doch in Deutsch-Ossig verfallen die dem Tagebau entronnenen Höfe immer mehr. Gastronomie und Wassersport wird dort noch aus Holzhütten und Blechkisten betrieben. Hat man Deutsch-Ossig vergessen? Der einzige Ort unmittelbar am See, an dem noch historische Bausubstanz erhalten blieb, verlottert. Spaziergänger nehmen mal fröhlich, mal mürrisch die Imbissparade ab, finden aber bei Regen kaum ein Unterkommen und klagen dann über Wessis, die alles kaufen und liegen lassen. Nein, an mir liegt es diesmal nicht.

Uns wie allen Eignern in Deutsch-Ossig fehlt für die Sanierung und den Ausbau ihrer Höfe Baurecht. Seit 2005 bemühen wir uns darum. Seit 12 Jahren bastelt die Stadt Görlitz am BS 06, dem Bebauungsplan für Deutsch-Ossig. Mehrere Varianten wurden bereits ausgelegt. Behörden, Verbände und auch wir Betroffene wurden dazu gehört. Aber Gründe, den Plan nicht zu verabschieden und ihn weiter auf die lange Bank zu schieben, fanden sich immer. Aktueller Grund ist der Umstand, dass die Strandpromenade, also die Straße ab der B 99 bis hinter nach Deutsch-Ossig, noch nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Baurechtlich gilt Deutsch-Ossig somit als unerschlossenes Außengebiet. Zugang und Zufahrt zu den dortigen Grundstück seien rechtlich nicht gesichert. Faktisch spaziert und fährt jedoch seit Jahren jedermann auf der Strandpromenade nach Deutsch-Ossig.

Vor der letzten Kommunalwahl hatte der alte Stadtrat die Widmung bereits beschlossen. Nach seiner Wahl in 2019 hat der neue Stadtrat diesen Beschluss jedoch wieder einkassiert, weil er Bedenken hatte, dass sommers bei gutem Wetter Badegäste und laufender Verkehr einander behindern. Seither können sich die verschiedenen Fraktionen nicht einigen, mit welchen Maßnahmen die Situation vor Ort verbessert werden kann. Jeder hat Recht und die Stadt hat kein Geld. Die Verwaltung schiebt den Schwarzen Peter dem Stadtrat zu. Rechtlich könne man auch ohne weitere bauliche Maßnahmen die Widmung der Strandpromenade für den öffentlichen Verkehr jederzeit beschließen. Der Stadtrat wäre nun am Zuge. Letztlich will man sich wohl die Möglichkeit erhalten, zu Beginn der Saison wieder ein Kassenhäuschen hinzustellen und mit den Parkgebühren den privaten Sicherheitsdienst zu bezahlen, der bei Hochbetrieb für Ordnung sorgen soll.

Uns reicht das Gezerre. Zwar ist es fein, dass die Stadt bislang ihre Füße still hält und uns in den Hütten und Kisten gewähren lässt. Aber wir wollen mit unseren Aktivitäten raus aus den Buden und rein in die dann sanierten Häuser. Es bleibt kein vernünftiger Grund, die Widmung der Straße für den öffentlichen Verkehr weiter hinauszuschieben. Die entlang des Badestrandes und innerhalb der Ortslage eingebauten Schwellen sind zwar lästig, haben aber den Verkehr so verlangsamt, dass seither keine schweren Unfälle mit Fahrzeugen und Fußgängern mehr passiert sind. Später bleibt es der Stadt natürlich unbenommen, die Verkehrssituation weiter zu verbessern, sobald sich hierfür Mittel finden. Falls nicht die Ortspolizei sondern ein privater Sicherheitsdienst weiter tätig werden soll, kann er dies auch an einer öffentlichen Straße tun, wie es bereits an anderer Stelle am Berzdorfer See geschieht. Und auch dem Stadtsäckel dürfte ein Ausbleiben von Parkgroschen keinen dauerhaften Schaden zufügen, wenn sich in Folge der dann möglichen Sanierung der Höfe neue Arbeitsplätze und erfolgreiche Betriebe etablieren, die Görlitz weitere Gewerbesteuern bescheren. Statt dessen benachteiligt der am Kassenhäuschen erhobene „Eintritt“ die Imbisse in Deutsch-Ossig gegenüber den Wettbewerbern an anderen Standorten.

Hallo wach, statt die Zukunft von Deutsch-Ossig weiter verschnarchen.

Ohne Baurecht kein Fortschritt

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Ohne Baurecht kein Fortschritt

Kann man einen bereits verlassenen Hof seit mehr als zwanzig Jahren nicht erhalten und nutzen, führt dies unweigerlich zu seinem Verfall. Die etlichen Millionen Euro, die notwendig sind, um alle Gebäude zu erhalten, liegen nicht in unserer Portokasse. Und keine Bank gibt Kredit für ein Objekt, bei dem mangels Baurecht nicht abzusehen ist, ob und wann es genutzt werden kann. Wir besitzen zwar den Hof, aber nicht die Felder und Wälder aus deren Erträgen einst ein reicher Landwirt seine Ställe und Scheunen nebst dem schicken Wohnhaus finanziert hat. Die Zukunft des Hofes liegt in seiner gewerblichen Nutzung. Das Geld für die Sanierung oder den Um- und Ausbau muss mit Häusern und in ihnen verdient werden.

Über die Jahre hinweg konnten wir uns eine Scheune aus eigenen Mitteln erhalten. Die anderen Wirtschaftsgebäude sind so zerfallen, dass sie nur noch abgebrochen und durch Neubauten ersetzt werden können. Das Herrenhaus, sollte unbedingt erhalten bleiben. Bei einem Besuch vor Ort meinte eine Dame der hiesigen Denkmalschutzbehörde leicht vorwurfsvoll: „Noch zehn Jahre so weiter und wir haben hier kein Denkmal mehr.“ Nun, an uns liegt es nicht. Eine Bauvoranfrage zu seiner Sanierung wurde von uns vor einem Jahr gestellt. Der Bescheid steht noch aus.

Görlitz, 28.02.2022, Bernhard Trott für die Stope & Trott GbR